Ionische Flüssigkeiten als Elektrolyte in PEFCs für Betriebstemperaturen um 120 °C

Die Polymerelektrolytbrennstoffzelle (PEFC) mit einer Membran aus sulfonierten Fluoropolymeren (PFSA) setzt in den letzten Jahrzehnten die Maßstäbe für mobile Anwendungen. PEFCs mit PFSA-Membranen wie NAFION® oder AQUIVION® haben ein ausgereiftes Niveau an Leistung und Haltbarkeit erreicht. Der derzeitige Stand der Technik ist für die erste Marktdurchdringung im Bereich der Elektromobilität ausreichend. Um das Feld möglicher Anwendungen noch zu erweitern und die Kommerzialisierung zu beschleunigen, ist es notwendig, weiterhin intensiv an der Erforschung von Katalysator- und Elektrolytmaterialien zu arbeiten, um neue Zellkonzepte zu ermöglichen. PFSA-Membranen setzen eine ausreichende Wasserquellung voraus und entsprechende PEFCs erfordert eine Befeuchtung des zugeführten Wasserstoffs und der Luft und eine Wasserrezyklisierung aus dem Abgas. Dies beschränkt den (atmosphärischen) Betrieb auf < 80 °C, da sonst ein Dehydratisierung erfolgt und die Leitfähigkeit stark abnimmt

Eine bei 120 °C betriebene PEFC würde eine wesentlich effektivere Kühlung bei hoher elektrischer Belastung und eine Abwärmenutzung ermöglichen. Dies erfordert einen Elektrolyten dessen Protonenleitung nicht auf der Anwesenheit des Amphoters Wasser basiert. Ein nichtwässriger protonenleitender Elektrolyt erlaubt es auch auf ein aktives Wassermanagement zu verzichten. Zusammen mit der effektiveren Kühlung ermöglicht dies eine vereinfachte Konstruktion des Gesamtsystems und so eine viel effektivere und einfachere Systemintegration der PEFC insbesondere im Bereich der Elektromobilität (PKW). Eine höhere Betriebstemperatur verringert auch die Empfindlichkeit gegenüber Verunreinigungen des Wasserstoffs bzw. der Luft. Eine derartige Mitteltemperatur-PEFC kann die Anforderungen im Transport- und Verkehrsbereich bei Nutzung von Wasserstoff aus regenerativer Energie im Vergleich zur NT-PEFC noch besser erfüllen. Für Betriebstemperaturen oberhalb von 120°C werden neue Membranmaterialien und protonenleitende Elektrolyte benötigt, die auch bei geringen Wasseraktivitäten ihre Leitfähigkeit nicht einbüßen. Stark azide protonenleitende ionische Flüssigkeiten (PIL) auf Basis von Sulfonsäuren sind ein vielversprechender Ansatz.

Bei der Hochtemperaturpolymermembranbrennstoffzelle (HT-PEFC) wird als Elektrolyt derzeit eine mit Phosphorsäure beladene Polymermembran ver­wen­det. Phosphorsäure zeigt im Temperaturbereich oberhalb 150 °C auch bei sehr niedrigen Wasserdampfpartialdrucken, d.h. quasi wasserfrei, eine sehr hohe Pro­tonenleitfähigkeit aufgrund einer sehr ausprägten Autoprotolyse und eines ko­opera­tiven Protonenleitungsmechanismus (PBI/H3PO4 ). Die Phosphorsäure bzw. Hydrogenphosphationen blockieren allerdings Teile der Ober­fläche des Platinkatalysators und führen insbesondere an der Kathode zu Lei­stungs­verlusten.

Abb.1: Oben/Mitte: Strukturformeln von PILs; Unten: [2-Sema][TfO] mit Variation des Wassergehalts
Abb.1: Oben/Mitte: Strukturformeln von PILs; Unten: [2-Sema][TfO] mit Variation des Wassergehalts

Wir untersuchen ionische Flüssigkeiten, die aus einer einfachen Amino­alkansulfonsäure (z.B. aus Taurin und seinen Derivaten) als proto­nier­bare Base und einer Supersäure wie Tri­fluormethansulfonsäure her­ge­stellt werden. Derartige auf einem Sul­fo­alkyl­ammoniumkation ba­sie­rende ionische Flüssigkeiten zeigen eine hohe Azidität. Im Mittelpunkt der ex­pe­rimentellen Unter­su­chun­gen stehen zunächst ionischen Flüs­sig­kei­ten mit 2-Sulfoethyl­ammo­ni­um­kation, siehe Abb. 1. Die Pro­to­nie­rung der Amino­ethan­sul­fon­säu­ren kann ramanspektroskopisch nach­gewiesen werden. Durch die Pro­tonierung werden die Bindungen im Kation gegenüber der un­pro­to­nier­ten Form geschwächt (ins­be­son­dere die C-S-Bindung). Dies führt zu einer Verschiebung cha­rak­te­risti­scher Banden in Richtung kleinerer Wel­lenzahlen. Das 2-Sulfoethyl­am­mo­nium- und das 2-Sulfoethyl-me­thyl-ammo­nium­kation liegen, wie in Abb. 1 dargestellt, bevorzugt in einer gauche-Konformation vor, d.h. mit einer internen H-Brücke (Ring).

Elektrochemische und thermische Charakterisierung

Wichtige Kriterien für die prak­ti­sche Anwen­dung dieser Elektrolyte sind Eigen­schaf­ten wie die ther­mi­sche und elektro­che­mi­sche Sta­bi­li­tät, die elek­tri­sche Leitfähigkeit und die Kinetik der für die Brennstoffzelle relevanten Elektroden­prozesse (ORR und HOR).

Die Ther­moanalyse mit Verfahren wie TGA und DSC ergab für die bislang unter­suchten PILs eine ther­mi­sche Stabilität bis zu 130°C [1]. Elek­tro­che­mische Messungen zeig­ten, dass diese PILs im ge­sam­ten unter­such­ten Poten­tial­be­reich elek­tro­che­misch stabil sind [1]. Die elek­tri­sche Leitfähigkeit der PIL steigt expo­nentiell mit dem Wassergehalt an. Es wurden bis­lang Werte bis zu 120 mS/cm erzielt.

Die elektrochemische Kinetik an der Kathode, also die Re­duktion von Sauerstoff, wird mittels Mikroelektroden- und RDE-Methoden im Detail untersucht. Ein Leistungskriterium für die Kathodenleistung ist die Höhe der Stromdichte in Abhängigkeit vom Elek­tro­denpotential. Wie Abb.2 zeigt, liegt die hier logarithmisch aufgetragene Strom­dichte in Gegenwart einer ionischen Flüssigkeit, hier [2-SeMA][TfO], tat­säch­lich dreimal höher als bei Phosphorsäure. Die Kinetik und der Mechanismus der Sauerstoffreduktion wurden durch Simulation von Zyklovoltammogrammen an verschieden aziden PILs im Detail untersucht [2]. Es stellte sich heraus, dass die Sauerstoffreduktion über molekular adsorbierten Sauerstoff erfolgt und die erste Elektronen- und Protonenübertragung geschwindigkeitsbestimmend ist. Ein wichtiges Ergebnis dieser Untersuchungen ist, dass nur PILs mit stark saurem Kation als Protonendonor zur Sauerstoffreduktion beitragen, während PILs mit schwach sauren Kationen im Potentialbereich, der für die Brennstoffzelle relevant ist, praktisch inaktiv sind. Die Eigenschaften der PIL-Ionen haben also einen großen Einfluss auf die Sauerstoffreduktionsreaktion [3,4]. Diese findet in der Grenzfläche des Platinkatalysators und der jeweiligen ionischen Flüssigkeit statt. Eine detaillierte Kenntnis der Grenzflächeneigenschaften, wie zum Bei­spiel der Doppelschichtkapazität, ist daher essentiell. Für die Grenzfläche Pt/[2-SeMA][TfO] wurde die Doppelschichtkapazität in Abhängigkeit vom Elek­troden­potential, der Temperatur und dem Wassergehalt mit Impedanz­spektro­skopie und Cyclovoltammetrie untersucht [5,6]. Weitere Untersuchungen der Struktur der Doppelschicht werden mit Rasterkraftmikroskopie und Infrarotspektroskopie durchgeführt (Grenzflächen). Um den Mechanismus des Protonentransports aufzuklären, werden außerdem Messungen mit Kernspinresonanz (Nuclear magnetic resonance, NMR) durchgeführt [7].

Abb.2: Tafelauftragungen   der Strom­dichte der Sauerstoffreduktion (ORR); Vergleich von [2-SeMA][TfO]   mit Phosphorsäure
Abb.2: Tafelauftragungen der Strom­dichte der Sauerstoffreduktion (ORR); Vergleich von [2-SeMA][TfO] mit Phosphorsäure

Um die PILs später in der Membran-Elek­tro­den-Einheit (MEA) deiner PEFC unter Betriebsbedingungen testen zu können, muss zunächst die Poly­mer­mem­bran, zum Beispiel Poly­benz­imi­da­zol (PBI), mit einer PIL beladen (dotiert) werden. Erste Do­tie­rungs­ex­pe­ri­mente ergaben eine Massen­auf­nahme von über 100 Ge­wichts­pro­zent. Der Dotie­rungs­pro­zess wurde mit Raman­spektro­skopie verfolgt und dabei die Pro­to­nierung des Polymers durch die PIL nachgewiesen.

Literatur

[1] K. Wippermann, J. Wackerl, W. Lehnert, B. Huber, C. Korte
2-Sulfoethylammonium Trifluoromethanesulfonate as an Ionic Liquid for High Temperature PEM Fuel Cells, J. Electrochem. Soc. 163-2, F25-F37 (2016), http://dx.doi.org/10.1149/2.0141602jes

[2] K. Wippermann, Y. Suo, C. Korte
Oxygen Reduction Reaction Kinetics on Pt in Mixtures of Proton-Conducting Ionic Liquids and Water: The Influence of Cation Acidity, J. Phys. Chem. C 125, 4423−4435 (2021), https://doi.org/10.1021/acs.jpcc.1c05151

[3] H. Hou, H. M. Schütz, J. Giffin, K. Wippermann, X. Gao, A. Mariani, S. Passerini, C. Korte
Acidic Ionic Liquids Enabling Intermediate Temperature Operation Fuel Cells, ACS Appl. Mater. Interfaces 13, 8370−8382 (2021), https://doi.org/10.1021/acsami.0c20679

[4] K. Wippermann, C. Korte
Effects of protic ionic liquids on the oxygen reduction reaction – a key issue in the development of intermediate-temperature polymer-electrolyte fuel cells, Current Opinion in Electrochemistry 32, 100894 (2022), https://doi.org/10.1016/j.coelec.2021.100894

[5] K. Wippermann, J. Giffin, S. Kuhri, W. Lehnert, C. Korte
Influence of water content in a proton-conducting ionic liquid on the double layer properties of the Pt/PIL interface, Phys. Chem. Chem. Phys. 19, 24706 (2017), https://doi.org/10.1039/C7CP04003B

[6] K. Wippermann, J. Giffin, C. Korte
In Situ Determination of the Water Content of Ionic Liquids, J. Electrochem. Soc. 165 (5), H263-H270 (2018), http://dx.doi.org/10.1149/2.0991805jes

[7] J. Lin, L. Wang, T. Zinkevich, S. Indris, Y. Suo, C. Korte, Influence of residual water and cation acidity on the ionic transport mechanism in proton-conducting ionic liquids, Phys. Chem. Chem. Phys. 22, 1145-1153 (2020), https://doi.org/10.1039/C9CP04723A

Letzte Änderung: 19.01.2023